Gemeinsam neue Wege gehen
Holger wurde in Schleswig-Holstein geboren und ist dort aufgewachsen. Nur für seine Ausbildung zum Tischlermeister zog es ihn nach Süddeutschland, wo er jedoch schnell erkannte, dass seine Heimat für ihn unersetzlich ist. Dank seines erfolgreichen Betriebs konnte er sich im Laufe der Jahre ein eigenes Haus bauen und mit seiner Frau und den zwei Kindern ein erfülltes Leben in einer Kleinstadt führen. Nachdem seine Frau vor drei Jahren an Krebs verstarb, fühlte sich Holger schnell allein in dem großen Haus.
Seine Kinder waren schon vor einigen Jahren in größere Städte gezogen, und auch seine Schreinerei musste er mit Anfang 70 aufgeben, da die Pflege seiner Frau viel Zeit in Anspruch nahm und das Alter seinen Tribut forderte. Doch Holger fühlt sich noch immer fit und will dem ruhigen Hausleben etwas entgegensetzen. Die Werbung der Landesregierung machte ihn auf ein besonderes Programm der Lebensraum-Partnerschaft aufmerksam, das alleinstehende Rentner:innen mit jungen Familien zusammenführt, um gemeinsam ein Haus zu teilen. Da Holger inzwischen erkannt hat, dass auch er ab und zu Hilfe benötigt – sei es, wenn das Internet mal wieder die Verbindung zu seinem Beamer verweigert –, schien das Programm für ihn und die Familie eine ideale Win-Win-Situation zu sein.
Uns würde interessieren, was Ihnen in einem Zukunftsszenaio wichtig ist und wo Sie Prioritäten setzen. Wir würden uns deshalb freuen, wenn Sie an unserer Umfrage zu diesem Thema teilnehmen:


Einfache innovative Ansätze für die Modernisierung
Holger hat sein Haus unter der Bedingung verkauft, dass er weiterhin in einem kleinen Teil davon wohnen bleiben kann. Um dies zu ermöglichen, plant die Familie Jahnsen einen Umbau, der zwei separate Wohnungen vorsieht. Sie wollen dafür modulare Baukastensysteme nutzen, die sie selbst einbauen können. Neugierig wie er ist, begleitet Holger sie in den Laden, in dem diese Systeme erhältlich sind.
„Hey Holger, kannst du die Fensterdichtungen aus Regal E75 holen?“ Miriam checkt auf ihrem Tablet ihre Einkaufsliste, während Holger bereits auf dem Weg zu den Regalen ist. Das junge Ehepaar Jahnsen, mit dem Holger die Lebensraum-Partnerschaft eingegangen ist, kann durch diese Baukastensysteme deutlich günstiger renovieren, als es sich Holger als ehemaliger Handwerker vorstellen kann. Anstatt vieles maßanfertigen zu müssen, lassen sich die Elemente einfach in die passende Größe schieben. „Das erinnert mich an dieses schwedische Möbelhaus“, sagt Holger schmunzelnd, „nur dass hier alles auf die klimafreundliche Modernisierung von Häusern ausgelegt ist. Das ist schon faszinierend. Trotzdem bin ich mir nicht immer sicher, ob das alles so reibungslos funktioniert. Mir wurde zum Beispiel immer gesagt, dass während des Umbaus dann immer alles viel komplizierter und teurer wird, als ursprünglich geplant.“ „Mach dir keine Sorgen, du bist wirklich einer der letzten, die ihr Haus in unserer Gemeinde umbauen,“ beruhigt ihn Miriam. „Durch die Genossenschaft, die für das dezentrale Wärmenetz in der Gemeinde gegründet wurde, ist die Finanzierung dafür schonmal viel einfacher geworden.“ „Außerdem haben wir den Sanierungsplan mit dem KI-Tool der Landesregierung gemacht. Und diese Firma hier, spezialisiert sich darauf, viele der Komponenten herzustellen, die wir dann nur noch zusammensetzen müssen.“ Holger erinnert sich an die Zeit vor zwei Monaten, als die Jahnsens mit der Renovierung seines – oder besser gesagt ihres – Hauses begannen. Seitdem haben sie tatsächlich schon große Fortschritte gemacht – und dass obwohl alles kostengünstig umgebaut werden muss, da das Paar im letzten Jahr seine Arbeitszeit reduziert hat, um mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. „Na gut“, sagt Holger lächelnd, „ich bin gespannt, wie das wird. Wer hätte gedacht, dass ich beim Renovieren noch so viel lerne.“


Ein Ort für Alt und Jung
Nachmittags fährt Holger oft mit seinem Fahrrad zur „Generationenbrücke“, dem neuen Wohnkonzept der Gemeinde, wo betreutes Wohnen und ein Kindergarten kombiniert worden sind. Im Eingangsbereich fällt sein Blick auf seine alte Anrichte. Als Schreiner freut es ihn besonders, dass hier seinen gespendeten alten Möbeln neues Leben eingehaucht wurde. Heutzutage muss nichts mehr weggeschmissen werden, ganz nach dem Donut-Ökonomie Gedanken, zu dem er letzte Woche in der Gemeinderatssitzung einen Vortrag angehört hat.
Einige seiner Freunde, die ihre Häuser aus ähnlichen Gründen wie er ganz an junge Familien verkauft haben, leben hier und genießen Annehmlichkeiten wie Reinigungsservice oder Unterstützung bei Arztbesuchen.
Bei Kaffee und Kuchen feiern sie heute Emilias Seniorinnen-Abschluss zur Erziehungsbegleiterin. „Das ging ja jetzt schneller als gedacht“ gratuliert ihr Holger, der ein paar Blumen aus seinem Garten mitgebracht hat. „Und das obwohl du dir anfangs gar nicht so sicher warst, ob das wirklich etwas für dich ist.“ „Ja, anfangs hatte ich Zweifel, aber es fehlen einfach zu viele Betreuer:innen, weil immer mehr Eltern ihre Kinder länger abgeben“ erklärt Miriam. „Thomas hat mir dann erzählt, wie fit ihn die Mithilfe im benachbarten Kindergarten hält, und das hat mich dann überzeugt. Ich will schließlich noch lange fit bleiben. Hier gibt es sogar spezielle Sportkurse, die genau darauf ausgelegt sind, den Körper für alltäglichen Dinge zu trainieren.“ Nach einer Zeit verabschiedet sich Holger und macht sich auf den Heimweg. Dann beginnt es zu regnen, weshalb er kurzentschlossen sein Fahrrad stehen lässt und über die Gemeinde-App „Hoody“ eine Mitfahrgelegenheit sucht. „Seitdem es für die Mitnahme Rabatte an den E-Ladestationen gibt, findet man eigentlich immer eine gute Mitfahrgelegenheit,“ meint er optimistisch.


Die Zeit, die man früher nicht hatte
Holger schleift in seiner Garagenwerkstatt die ersten Teile eines Holzpferdes. Der fünfjährige Lukas sitzt daneben, trägt eine viel zu große Schutzbrille und hält ein kleines Stück Schleifpapier in der Hand, um tatkräftig mitzuhelfen. Holger muss schmunzeln, als er daran denkt, dass er schon vor Jahren vorhatte, mit seiner Tochter ein Pferd zu bauen, damals jedoch zu sehr in seine Arbeit vertieft war.
Nach einer Weile machen Lukas und Holger eine Trinkpause, als ein E-Auto an die Ladestation am Haus fährt. Ben, Lukas' Vater, steigt aus und holt einige Einkaufstüten aus dem Auto. „Hallo Holger, hi Lukas! Ich habe deine Einkäufe in die Tasche hier gepackt, Holger und zusätzlich noch eine Packung Toilettenpapier mitgebracht – das war gerade im Angebot.“ Holger antwortet lachend: „Vielen Dank, Ben! Was würde ich nur ohne euch machen!“ Ben stellt die Einkaufstüten vor der Werkstatt ab und betrachtet das Schaukelpferd. „Ach was, das ist doch selbstverständlich! Danke, dass du dich heute schon wieder so gut um den Kleinen gekümmert hast. Das erleichtert uns den Alltag und auch den Umbau ungemein. Heute Abend ist übrigens eine Versammlung in unserer Gemeinde, sollen wir um 19 Uhr gemeinsam fahren?“ Holger nickt kurz und beginnt die Werkstatt aufzuräumen.


Wie das geteilte Energienetz die Gemeinde verbindet
Um 19 Uhr treffen die ersten Leute im Gemeindehaus zur monatlichen Versammlung ein. Holger lehnt sich zu Ben: „Die erste Sitzung dieser Art fand damals wegen der Quartierslösung für die Wärmeversorgung statt. Irgendwie hat die Zusammenarbeit an diesem Projekt einiges ins Rollen gebracht.“ Ben nickt zustimmend: „Das ist mir auch aufgefallen. Die Gemeinde ist jetzt durch verschiedene Projekte eng vernetzt, um sich gegenseitig zu unterstützen. Und dieser Verein koordiniert alles?“
Holger lächelt: „Genau. Als die große Rentenwelle losging, wurde das Geld knapper, aber viele hatten plötzlich mehr Zeit und engagieren sich jetzt hier. Das Wärmenetz war der Anfang, aber wir haben die Idee auf andere Projekte übertragen.“ Eine ältere Frau setzt sich neben Ben, begrüßt die beiden und fügt hinzu: „Man muss aber auch sagen, dass nicht alle Ideen von uns kamen. Ich war auf einer Schulung in Kiel, bei der die Landesregierung verschiedene Konzepte und erste Umsetzungsschritte vorgestellt hat. So ist zum Beispiel die Idee für unsere Gemeinde-App entstanden.“ Kaum hat sie ihren Satz beendet, tritt ein Mann ans Mikrofon, begrüßt die Anwesenden. „Vielen Dank, dass so viele da sind. Heute wollen wir gemeinsam neue Möglichkeiten diskutieren, wie wir die Gemeinde weiter voranzubringen können. Und es gibt auch einen Grund zu feiern. Denn das Haus der Jahnsens wird in den nächsten Monaten in unser dezentrales Wärmenetz eingefügt und ab dann werden dank unserer Genossenschaft alle Häuser unserer Gemeinde durch das gemeinschaftliche Nahwärmenetz versorgt. Damit sind wir sowohl in der Wärme- als auch in der Energieversorgung fast komplett autark und nachhaltig.“